»EIN KÄNGURU WIE DU«-HÖRSPIEL
AUF PLATZ EINS DER HÖRBUCHBESTENLISTE VOM HR 2 IM JANUAR
UND AUF DER BESTENLISTE 1/2016 DER DEUTSCHEN SCHALLPLATTENKRITIK
»Weibchen, Männchen, Ananas – es ist doch egal, was man lieber mag.
Hauptsache man mag überhaupt irgendwas.«
http://www.schallplattenkritik.de/news
http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=53549&key=standard_document_58380154
Endlich am Meer! Als Pascha und Lucky aus dem stickigen Tiertransporter steigen, wünschen sie sich nur eins: Baden. Aber leider haben Raubkatzen Angst vor Wasser, das hat ihnen ihr Trainer beigebracht. Genau wie all die Kunststücke, mit denen sie beim Zirkusfestival den ersten Preis abräumen sollen. Aber dann lernen die beiden das Känguru Django kennen, einen Profiboxer, mit dem man herrlich über die Dächer hüpfen und stundenlang fernsehen kann. Und ihr großer Auftritt nimmt plötzlich eine ganz andere Wendung …
Eine tierisch vergnügliche Geschichte über falsche Ängste und echte Freunde.
FRAGEN & ANTWORTEN
WIE SIND SIE AUF DIE IDEE ZU DIESER GESCHICHTE GEKOMMEN? Bei einer Lesung von «An der Arche um Acht« waren die Kinder irritiert, als am Ende ein Pinguin und eine Taube ein Paar werden. »Diese beiden Tiere«, versicherten die Kinder, »passen überhaupt nicht zusammen. Die können nämlich nie heiraten und Kinder kriegen.« »Was?«, fragte ich. »Beide sind Vögel und beide können Eier legen.« »Aber das sind doch zwei Männchen?« »Wieso? Der Pinguin und die Taube?« Dagegen konnte keiner mehr was sagen, aber ein Junge gab sich trotzdem nicht zufrieden und murmelte: »Aber so, wie Sie die Taube gelesen haben, Herr Hub, war’s wahrscheinlich auch ein Männchen.« »Und wenn schon …«, gab ich zurück, und dann ging es richtig los.
WELCHE MEINUNGEN HABEN DIE KINDER VERTRETEN? Eigentlich alle. Von totaler Ablehnung bis zur völliger Toleranz. Erstaunlich war, wie leidenschaftlich sie über das Thema diskutiert hatten. Alle redeten aufgeregt durcheinander, und am Ende sagte ein Lehrer, der eigentlich mit den Kindern über Gott und die Sintflut hatte reden wollen: »Die andere Thematik hat die Kinder offenbar mehr interessiert.« Ich habe mich dann ein bisschen umgehört und herausgefunden, dass es für Kinder kaum Geschichten zu der »anderen Thematik« gibt – jedenfalls nicht für Kinder ab sechs.
WIESO HAT DER TIERTRAINER ALS EINZIGER KEINEN NAMEN? Bestimmt hat er einen Namen, aber den verrät er nicht. Ich halte ihn für keinen besonders guten Lehrer, er fördert nicht die Kreativität seiner Schüler sondern benutzt sie, um eigene Wünsche zu erfüllen – eigentlich die klassische »Schlittschuhlaufmutter«. Aber wahrscheinlich ist er selbst ein armes Schwein, er muss sich immer noch vor seiner Mutter rechtfertigen und ist völlig allein.
HAT DIE GESCHICHTE EINE MORAL? Ich wollte keine Geschichte erzählen, in der es völlig ok ist, wenn jemand als »dumme Schwuchtel« bezeichnet wird. Das passiert ja schon genügend auf Schulhöfen. Aber moralisch wäre es wohl eher, wenn ich als Autor den homophonen Tiertrainer am Ende bestrafen würde, oder? Er bekommt einfach das, was er sich am meisten gewünscht hat. Nämlich einen goldenen Pokal.
WAS WOLLEN SIE DENN ERZÄHLEN? Erst einmal eine unterhaltsame Geschichte, die nicht vorhersehbar ist. In »An der Arche um Acht« widersetzen sich drei Pinguine dem Befehl der höchsten Autorität – nämlich Gott – und haben absolut richtig gehandelt. In »Füchse lügen nicht« stellen die Tiere auf dem Flughafen verblüfft fest, welches gewaltige Gewaltpotential in ihnen steckt, sobald ihre eigenen Lebenslügen in Frage gestellt werden. Bei meinem neuen Buch habe ich mich natürlich schon gefragt, woher die Ablehnung anderer Lebensformen überhaupt kommt. Meiner Erfahrung nach haben Kinder erst einmal kein Problem mit Schwulen und Lesben. Warum auch? So etwas kann ihnen nur eingeredet werden. Aber niemandem ist die Meinung der anderen gleichgültig, egal, was man auch behauptet. Die beiden Raubkatzen haben Angst davor, ausgelacht und Außenseiter zu werden. Im Verlauf der Geschichte kapieren sie, dass man einfach seinen eigenen Kopf benutzen kann und nicht alles glauben muss, was die Leute einem erzählen. Aber eigentlich geht es bei mir immer nur um Freundschaft.
WARUM HABEN SIE SICH DAFÜR ENTSCHIEDEN, DIE GESCHICHTE MIT TIEREN SPIELEN ZU LASSEN? Wenn man es so sehen will, ist die Story eine Paraphrase auf »Hilfe, mein Lehrer ist schwul!« Mit Tieren kann man das lustiger, unkomplizierter und ohne moralische Bleigewichte erzählen. Bei zwei Lesungen aus dem unfertigen Manuskript haben die Kinder übrigens auf meine Nachfrage kein Wort darüber verloren, dass das Känguru schwul ist. Vielleicht war das für sie als Stadtkinder völlig normal. Sie haben sich eher für andere Aspekte der Geschichte interessiert, sie haben über den Leistungsdruck gesprochen, dem die kleinen Raubkatzen ausgesetzt sind, und bemerkenswerter fanden sie vor allem, dass der Panther Vegetarier ist und die Prinzessin schon eine alte Dame ist.
DIE JURY DES MÜLHEIMER THEATERPREIS KRITISIERTE, DASS ES SICH BEI DEM GLEICHNAMIGEN THEATERSTÜCK UM EINE ANSAMMLUNG VON KLISCHEES HANDELT. Meiner Meinung nach geht diese Kritik an der Sache vorbei. In der Geschichte wird ständig mit Klischees gespielt und sie sind wie alle unbedacht übernommenen Äußerungen natürlich falsch. Die Seehunde halten den Tiertrainer für eine »typische Schwuchtel« und liegen total daneben. Das boxende Känguru ist dagegen schwul – und gerade Boxer hält man ja erst einmal für nicht besonders intelligent. Aber Django ist nicht einfach nur der Schlagdrauf-Typ, sondern eben auch empfindsam und empathisch. Oder ist das auch schon wieder ein Klischee? In dieser Geschichte ist einfach alles anders, als man zuerst gedacht hatte, und am Ende ist sogar eine ältere Dame die coolste Person von allen.
DIE JUGENDJURY HAT DAS STÜCK MIT DEM PUBLIKUMSPREIS AUSGEZEICHNET. Darüber habe ich mich sehr gefreut und ich habe mich auch schon herzlich bedankt.
UND SO FÄNGT DAS BUCH AN
»Ich heiße Pascha, falls ich das noch nicht gesagt habe, und bin ein Tiger mit schneeweißem Fell und schwarzen Streifen, außerdem habe ich himmelblaue Augen. So was wie mich gibt es nur ganz selten, deshalb habe ich ein kleines Vermögen gekostet. Lucky ist nur ein Panther, die sind alle schwarz und man kriegt sie ziemlich billig. Aber dafür kann er sich auch die Reihenfolge der Kunststückchen besser merken, die unser Trainer uns beigebracht hat.
Ich wusste immer nur den Anfang. Zuerst kam Sitz un dann kam Platz und dann wusste ich schon nie genau weiter. Entweder mussten wir Pfötchen geben oder Männchen machen. Am allerschwierigsten fand ich die Sache mit den nummerierten Hockern. Ich wusste nie, auf welchen ich hopsen sollte. Zahlen konnte ich mir noch nie besonders gut merken, für mich sehen die alle gleich aus. Nur durch einen brennenden Reifen springen konnte ich gleich wie ein Weltmeister.
Das hatten wir schon geübt, als wir ganz klein waren. Dazu hatte unser Trainer bei so einer runden Kuchenform den Boden rausgenommen und wir, Lucky und ich, sind einfach durchgelaufen. Aber dieses Kunststückchen kam in unserer gemischten Raubtiernummer erst ganz zum Schluss und war der einsame Höhepunkt.
Ein ganzes Jahr lang haben wir trainiert. Jeden Tag von morgens bis abends. Sogar sonntags. Wenn ich manchmal stöhnte: »Warum müssen wir das eigentlich alles lernen? Sitz und Platz und Männchen machen – so was brauchen wir doch später im Leben nie wieder», bekam ich ständig die gleichen Antworten zu hören. »Leistung lohnt sich immer«, sagte unser Trainer. »Nur Fleiß und Ausdauer führen zum Ziel.« Und später einmal würden wir ihm dankbar sein, und andere Tiere wären froh, wenn sie eine so wertvolle Ausbildung erhalten würden, er selbst hätte ja liebend gerne gelernt, durch einen brennenden Reifen zu springen, aber jetzt sei es für ihn leider zu spät, und Mozart sei schon mit vier Jahren das erste Mal vor Publikum aufgetreten und so weiter und so weiter. Irgendwann hörte ich gar nicht mehr richtig hin sondern dachte nur, bei Gelegenheit muss ich mal fragen, wer dieser Mozart eigentlich war.«
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