KAMELIENDAME IM SCHLOSSPARKTHEATER
»Der Tod einer schönen Frau ist wahrlich das poetischste Thema der Welt.« Edgar Allan Poe
MYTHOS
Die »Kameliendame« von Alexandre Dumas ist eine der bekanntesten Schöpfungen des 19. Jahrhunderts, wenn nicht das außergewöhnlichste Frauenschicksal der spätbürgerlichen Literatur überhaupt. Durch Verdis Oper »La Traviata« ist diese Figur endgültig zum Mythos einer den patriarchalischen Verhältnissen aufgeopferten Frau geworden.
Das reale Vorbild, Marie Duplessis, war zu ihrer Zeit berühmt für Schönheit, Taktgefühl und Stil. Sie zeigte eine große Vorliebe für Blumen, vor allem für Kamelien. Niemand, der ihr zum ersten Mal begegnete, soll auf den Gedanken gekommen sein, eine Prostituierte vor sich zu haben. Im Gegenteil, lag ganz Paris ihr zu Füßen. Franz Liszt soll ihr oft und gern Klavierstunden gegeben haben. Charles Dickens hatte, nach ihrem Tod, »große Lust, dieses Leben und diesen Tod zu einer lehrhaften Fabel zu verarbeiten.« Doch war es schließlich der Sohn von Alexandre Dumas (»Die drei Musketiere«), auch er ein intimer Bekannter der Marie Duplessis, der ihre Geschichte aufschrieb und mit der »Kameliendame« die Erfolge seines Vaters noch übertrumpfte.
MÄNNERPHANTASIE
Goethe war von dem Roman sofort angetan: »Es ist keine Kunst, eine Göttin zur Hexe zu machen, eine Jungfrau zur Hure, aber zur umgekehrten Operation gehört Kunst oder Charakter.« Seither hat die »Kameliendame« nichts von ihrer Faszination verloren, ersehbar an den unzähligen Bearbeitungen und Verfilmungen des Stoffes. Die berühmtesten Schauspielerinnen ihrer Generation haben die Kameliendame gespielt: Sarah Bernhardt, Greta Garbo oder Isabelle Huppert. Noch der dänische Filmregisseur Lars von Trier hat hier ein Vorbild für viele seiner Frauenfiguren gefunden: »Alexandre Dumas empfahl allen werdenden Autoren: Quäle die Heldin. Diesen Rat kann ich nur weitergeben.«
LIEBE
In meiner Bearbeitung gibt es nur eine einzige Frauenfigur: Marguerite hat keine Freundin, Kollegin, nicht einmal eine vertraute Kammerzofe. Das macht sie einsamer, aber auch unabhängiger, und ganz mühelos bedient sie alle Wünsche und Projektionen der Männer.
Ständig wird in der »Kameliendame« über Liebe geredet, aber man fragt sich, wodurch wird Liebe eigentlich ausgelöst, und wie verändert sie die Liebenden? Im Roman von Dumas, der aus der Ich-Perspektive von Armand erzählt wird, sieht der junge Mann die prächtig gekleidete Kameliendame das erste Mal durch ein Schaufenster. Als er später mit ihr auf dem Land lebt, läuft sie ungekämmt in einer gewöhnlicher Strickjacke herum. Armand erkennt sie kaum wieder und muss sich fragen, in wen er sich eigentlich verliebt hat – in die Kameliendame oder in Marguerite?
GELD
Noch häufiger als über Liebe wird im Roman über Geld gesprochen. Sind Gefühle also käuflich? Marguerite behauptet immerhin, dass ›Liebe auf den ersten Blick‹ nicht die tiefste aller Leidenschaften sei, sondern die oberflächlichste, denn Liebe brauche Zeit. Doch Marguerite selbst hat nur wenig Zeit. Bei Dumas verlässt sie Armand schließlich auf Drängen von dessen Vater, um dem Ansehen der bürgerlichen Familie Duval nicht zu schaden. In dieser Bearbeitung empfiehlt Armands Vater Marguerite, an ihren eigenen Nachruhm zu denken: Stirbt sie auf dem Land in den Armen ihres Liebhabers, ist sie schnell vergessen; wenn sie dagegen Armand verlässt und in Paris stirbt, wird man sie ewig in Erinnerung behalten – als den Inbegriff einer Frau, die für die Liebe alles geopfert hat.
TOD
Nicht zuletzt geht es in der »Kameliendame« um die Angst vor Alter und vor Verlust von Attraktivität. Kurz gesagt: es ist eine Geschichte von Liebe, Geld und Tod. Ganz bestimmt kein Rührstück von vorgestern. Die vier übrig gebliebenen Männer stellt am Ende fest, dass eine tote Frau am leichtesten zu lieben ist – denn sie widerspricht nicht und bleibt so, wie man sie in Erinnerung hat. Vielleicht kann man sie sogar zu einem schönen Kunstwerk stilisieren. Edgar Allan Poe hat es so formuliert: »Der Tod einer schönen Frau ist wahrlich das poetischste Thema der Welt.«
Premiere am 10.September 2017 im Schlossparktheater Berlin um 18 Uhr
Regie: Philip Tiedemann
Bühne & Kostüm: Stephan von Wedel
Musik: Henrik Kairies
Es spielen: Joachim Bliese, Oliver Nitsche, Anuschka Renzi, Arne Stephan & Fabian Stromberger
Weitere Informationen und Termine: bitte hier klicken
»Die von Ulrich Hub für fünf Darsteller bearbeitete, sprachlich respektvoll modernisierte Fassung, ermöglicht die Lovestory zwischen der Edelkurtisane Marguerite und dem Bürgersohn Armand viel differenzierter, facettenreicher zu erleben als gewohnt.«
Frederik Hanssen, Tagesspiegel
»Die Theaterfassung von Ulrich Hub ist nicht nur relativ neueren Datums, sie ist frisch, auf kluge Art heutig, ohne sich sprachlich anzubiedern, hat die Handlung raffiniert gerafft – und bietet guten Schauspielern jede Menge Futter, um zu brillieren. Ohne erhobenen Zeigefinger, ohne moralinsaures Gebaren, zielt die Geschichte hier auch auf Heutiges: Hintersinnig werden verlogene gesellschaftliche Regeln angeklagt. Sehr wirkungsvoll. Auf leisen Sohlen schleicht sich da nämlich in den Köpfen der Zuschauer ein Nachdenken über gegenwärtige Frauenbilder und die Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen.«
Peter Claus, Getidan Autoren über Kunst und Leben