An der Arche um Acht

»Man stelle sich vor, es gäbe ein lustiger Theaterstück für Kinder ab sechs Jahren, das ›Kritik der reinen Vernunft‹, Leibniz‘ Theodizee-Problematik, Theismus, Deismus, Thomas von Aquins kosmologischen Gottesbeweis, Ludwig Feuerbachs Projektionstheorie so wie Pantheismus Spionza’scher und Goethe’scher Prägung verbildichen wollte … So lustig kann das nicht sein, wird der vernünftige Mensch angesichts der störrischen Fremdwörter und philosophischen Ungetüme denken und dem Betreiber eines solchen Vorhabens zu Recht den Vogel geben. Doch das Mannheimer Kinder- und Jugendtheater Schnawwl belehrt uns eines Besseren und übertrifft sich mit ›An der Arche um ‹ wieder einmal selbst. Autor Ulrich Hub hat ein solch wahnwitziges Unterfangen gewagt, dafür den Deutschen Kindertheaterpreis 2006 erhalten und zeigt uns den Vorgel, oder genauer gleich vier schräge Vögel, nämlich drei Pinguine und deine Taube, zwischen Arche Noah, sozialer Verantwortung und der Frage nach Gott.«
Mannheimer Morgen, 2007

»Ulrich Hub war der Zeit voraus. Schon lange bevor die Tiere, von denen jetzt die Rede sein wird, Filmstars und die Lieblinge von uns allen wurden, waren sie schon Helden und Hauptfiguren in seinen Stücken. In dem ersten Stück stehen sie im ewigen Eis und träumen von einem Liegestuhl in der Sonne, im nächsten sind sie besessen von einer bestimmter Art Kuchen, in seinem neuesten und hier ausgezeichneten Theaterstück ›An der Arche um Acht‹ sind unsere Freunde im Frack zu dritt. (…) In Ulrich Hubs Stück stinkt es nicht nur nach Fisch, sondern vor allem nach Komödie. Eine Seltenheit in der dramatischen Literatur für Kinder und somit ein Glücksfall. Auch, weil der Autor sich auf die dramatische Form verlässt. Einmal kein Erzähltheater, die momentan für junge Kinder häufig gewählte Form. Ulrich Hub erzählt seine Geschichte in wunderbaren Szenen mit pointierten Konflikten.«
Laudatio anlässlich der Verleihung des Deutschen Kindertheaterpreises 2006


AUSSCHNITT AUS DEM ERSTEN AKT
Die drei Pinguine betrachten den Schmetterling.

DRITTER PINGUIN  Der Ärmste –
ZWEITER PINGUIN  Er ist gestorben.
ERSTER PINGUIN  Er kommt jetzt in den Himmel.
DRITTER  Kommen alle, die gestorben sind, in den Himmel?
ERSTER  Nicht alle.
ZWEITER  Nur die Guten kommen in den Himmel.
ERSTER  Du zum Beispiel nicht.
DRITTER  Bin ich kein guter?
ZWEITER  Nein, du bist kein guter Pinguin.
ERSTER  Du hast gerade einen Schmetterling getötet.
DRITTER  Aber nicht mit Absicht.
ZWEITER  Du hast gesagt, du wolltest ihn abmurksen.
DRITTER  Nur im Spaß.
ERSTER  Jetzt ist er abgemurkst.
DRITTER  Das war ein Versehen.
ZWEITER  Du hast diesen Schmetterling umgebracht.
DRITTER Sag so was nicht –
ERSTER  Das war Mord.
ZWEITER  Eiskalt geplant.
ERSTER  Mörder.
DRITTER  Ich habe keinen Mord begangen.
ERSTER  Schmetterlingskiller.
ZWEITER  Dafür wirst du bestraft.
ERSTER  Schrecklich bestraft.
ZWEITER  Gott hat das genau gesehen.
DRITTER  Vielleicht hat er gerade nicht hingeguckt.
ERSTER  Gott sieht alles.
ZWEITER  Gott hat unglaublich gute Augen.
ERSTER  Wenn du gestorben bist und in den Himmel marschieren willst, wird er dich persönlich am Tor abfangen und eine kleine Unterhaltung mit dir führen.
DRITTER  Bis dahin hat er das mit dem Schmetterling bestimmt vergessen
ZWEITER  Darauf würde ich mich lieber nicht verlassen
ERSTER  Gott besitzt nämlich ein hervorragendes Gedächtnis.
DRITTER  Ich glaube, Gott gibt es überhaupt nicht.
ERSTER  Was sagst du da?
DRITTER  Es gibt keinen Gott!
ZWEITER  Nimm das sofort zurück.
DRITTER  Ihr wollt mir nur Angst machen. Ich brauche keinen Gott. Bisher bin ich sehr gut ohne ihn zurechtgekommen. Und euch brauche ich auch nicht. Ich will keine Freunde haben, die mir Angst machen. Euch will ich nie wieder sehen. Auf Wiedersehen. Auf Nimmerwiedersehen.

Der dritte Pinguin watschelt wütend ab.

ZWEITER  Vielleicht hat er Recht.
ERSTER  Fang jetzt nicht auch noch an –
ZWEITER  Ich habe Gott noch nie gesehen. Und ich kenne niemanden, der Gott je gesehen hat. Gelegentlich sollte Gott sich bemerkbar machen.

 

INTERVIEW
FRAGE  2004 lud der Verlag der Autoren mehrere Dramatikerinnen und Dramatiker ein, Theaterstücke zu schreiben, in denen Gott und die Frage nach seiner Existenz im Mittelpunkt steht.
ANTWORT  Diese Einladung habe ich erst einmal dankend abgelehnt, weil kein gläubiger Mensch bin. Aber meine Verlegerin Marion Victor immer weiter gedrängelt.
FRAGE  Wie kamen Sie auf die Geschichte?
ANTWORT  Gott löscht die gesamte Welt aus – aber hinterher lässt er ausrichten, ein bisschen zu weit gegangen zu sein. Das hat mich wirklich interessiert. Soweit ich weiß, ist das die einzige Story in der Bibel, in der Gott zugibt, einen Fehler gemacht zu haben. Außerdem kennt jeder die Geschichte. Sie existiert in allen Kulturkreisen.
FRAGE  Was mussten Sie bei der Vorbereitung des Stückes mehr studieren? Die Bibel oder das Leben?
ANTWORT  Beides natürlich – obwohl ich das Leben nicht studiere. Und die Bibel nehme ich nur gelegentlich zur Hand. Sie steht im Bücherregal neben Homer, Märchen aus Tausendundeine Nacht und Sagen- und Mythengeschichten.
FRAGE  Wie sind Sie bei der sprachlichen Gestaltung des Stücks vorgegangen?
ANTWORT  Wie immer. So schnell wie möglich auf den Punkt kommen. Kein langes Gerede. Möglichst viele Witze.
FRAGE  Sie haben bestimmt viele Aufführungen gesehen. Wie unterscheiden sie sich?
ANTWORT  Schon allein durch die Besetzung. Ob man die Taube mit einem Mann besetzt oder einer Frau. Ebenso bei den Pinguinen – durch die Geschlechter und das Alter der Spieler erzählt man jedes Mal eine andere Geschichte. Besonders gut hat mir übrigens eine polnische Aufführung vom Baj Pomorski Theatr gefallen.

https://www.youtube.com/watch?v=VxbKUGPPX9s