Füchse lügen nicht

ORIGINALBEITRAG FÜR DAS PROGRAMMHEFT ZU FÜCHSE LÜGEN NICHT

Ein Fuchs hatte zwei Theatertickets gestohlen und fragte eine Gans, ob sie ihn begleiten wolle. Vor Schreck flatterte die Gans auf einen hohen Baum.
»Du musst keine Angst haben«, flötete der Fuchs von unten. »In diesem Theaterstück kannst du sogar jede Menge lernen.«
»Ich will aber nichts lernen«, schnatterte die Gans aufgeregt, »außerdem erwarte ich vom Theater nichts anders als reine Unterhaltung.»
»Dieses Theaterstück soll sogar sehr unterhaltsam sein«, flötete der Fuchs von unten, »es handelt von Tieren, die auf einem Flughafen sitzen, seit Tagen auf ihre Anschlussflüge warten, bis ein Fuchs kommt und – aber den Rest will ich dir lieber nicht verraten.«
»Ich mag keine Tiere auf der Bühne«, sagte die Gans, die ein bisschen konservativ war.
»Es sind nicht wirklich Tiere«, lachte der Fuchs freundlich, »wenn du von deinem Baum herunter kommst und mich ins Theater begleitest, wirst du feststellen, dass es sich dabei nur um Menschen handelt, die spielen, dass sie Tiere sind.«
Die Gans glotzte verständnislos.
»Es ist dasselbe«, fuhr der Fuchs geduldig fort, »wie wenn ein Schauspieler einen König spielt, eine Magd oder eine russische Gutsbesitzerin. Es sind einfach nur Rollen, verstehst du?« Vorsichtig versuchte der Fuchs, den Stamm hinauf zu klettern.
»Besitzt dieses Stück wenigstens eine Utopie?«, kreischte die Gans nervös.
»Ich weiß nicht, was das ist, aber ich habe gehört, dass am Ende Tiere, die bisher immer als Feinde gegolten haben, zu Freunden werden.«
Schon war der Fuchs so weit hinauf geklettert, dass er mit seiner Pfote die Gans erreichen konnte, da brachte sich diese kreischend auf dem Gipfel des Baumes in Sicherheit.

Später sollte die Gans erfahren, dass der Fuchs das zweite Ticket ihrer Schwägerin geschenkt hatte, und diese hatte mit dem Fuchs nicht nur zwei höchst anregende Stunden im Theater verbracht, sondern war seither nicht mehr von dem Fuchs zu trennen. Beide waren Freunde fürs Leben geworden.